Mit 294 Spielen an der Seitenlinie ist Pavel Dotchev aktuell der Rekord-Trainer der 3. Liga. Zurzeit ist der 56-Jährige nach seinem Ausscheiden zum 1. Juli 2022 beim FC Erzgebirge Aue ohne Beschäftigung.
Doch klar: Der in Paderborn wohnhafte Deutsch-Bulgare verfolgt die Profiligen aufmerksam. Natürlich auch seine "Spezial-Liga", die dritthöchste Spielklasse.
RevierSport nutzte die Gelegenheit, um vor dem Spiel am Freitag (19 Uhr, RevierSport-Liveticker) Rot-Weiss Essen gegen Aue, mit Pavel Dotchev zu sprechen.
Pavel Dotchev über...
... seine aktuelle Freizeit: "Ich bin bei meiner Familie in Paderborn und wir verbringen viel Zeit miteinander. Ich genieße das sehr. Im Sommer war ich auch mal wieder für drei Wochen in Bulgarien. Meine Mutter wurde operiert und da musste ich mithelfen. Aber klar: ich verfolge auch die Geschehnisse im Fußball. Aktuell viel im TV, demnächst wieder ab und zu auch in den Stadien. Vielleicht schon am Freitag in Essen. Ich überlege, ob ich zum Spiel Rot-Weiss Essen gegen Erzgebirge Aue fahre."
... seinen Ex-Klub Erzgebirge Aue: "Das war für mich natürlich eine große Enttäuschung. Ich bin nach Aue gegangen, um etwas aufzubauen. Ich trage den Verein in meinem Herzen. Leider habe ich nicht die nötige Zeit bekommen. Ich will aber auch nicht nachtreten. Das ist nicht mein Stil."
Du kannst als Trainer da nur wenig machen. Die Spieler haben sich in diesem Pokalspiel nicht voll reingehauen, weil ihre Zukunft ungeklärt war. Sie wollten sich auch nicht verletzten, für mögliche neue Arbeitgeber. Das war eine sehr unglückliche Situation.
Pavel Dotchev über das 2:6 des MSV beim WSV
... die aktuelle sportliche Situation des FCE: "Aue hat die Liga unterschätzt. Das muss man so klar sagen. Jetzt fangen sie erst an, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen. Natürlich braucht ein Umbruch Zeit, aber man hat sich die 3. Liga zu einfach vorgestellt. Ich habe es immer wieder betont und tue es gerne noch einmal: Der Aufstieg aus der 3. Liga in die 2. Bundesliga ist viel schwieriger, als den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga zu realisieren. Das muss Aue auch noch einmal verinnerlichen. Ich weiß, wovon ich rede, weil ich mit Gerd Schädlich und Rico Schmitt einer von drei Trainern bin, die mit Aue aus der 3. in die 2. Liga aufgestiegen sind."
Pavel Dotchev (vereinslos) - 294 Spiele
Stefan Krämer (SV Meppen) - 268 Spiele
Joe Enochs (FSV Zwickau) - 239 Spiele
Peter Vollmann (Sportchef Braunschweig) - 237 Spiele
Rico Schmitt (vereinslos) -236 Spiele
Rüdiger Rehm (FC Ingolstadt) - 214 Spiele
Jens Härtel (Hansa Rostock) - 208 Spiele
Uwe Koschinat (1. FC Saarbrücken) - 205 Spiele
Frank Schmidt (1. FC Heidenheim) - 190 Spiele
... einen möglichen Auer Wiederaufstieg: "Ich wünsche dem Verein den Aufstieg, aber ich glaube nicht daran. Sie werden auch nicht absteigen, dass ist für mich auch klar. Am Ende belegt Aue einen guten einstelligen Tabellenplatz. Das ist mein Tipp."
... seinen Ex-Klub MSV Duisburg: "Ich habe den MSV im Februar 2021 auf dem vorletzten Platz übernommen. Am Ende haben wir den Klassenerhalt geschafft. Aber diesen konnte ich gar nicht so richtig genießen. Es herrschte eine sehr, sehr negative Stimmung im Verein und im Umfeld. Der Anspruch der Fans und die Qualität der Mannschaft klafften weit auseinander. Dann hatten wir noch vertragliche Probleme, weil es lange Zeit nicht feststand, in welcher Liga wir spielen werden. So haben wir auch im Niederrheinpokal sechs Stück in Wuppertal bekommen. Das war der Wahnsinn! Im Nachhinein kann ich mir das aber gut erklären. Du kannst als Trainer da nur wenig machen. Die Spieler haben sich in diesem Pokalspiel nicht voll reingehauen, weil ihre Zukunft ungeklärt war. Sie wollten sich auch nicht verletzten, für mögliche neue Arbeitgeber. Das war eine sehr unglückliche Situation. Umso mehr freue ich mich, dass der MSV wieder auf einem guten Weg und die Stimmung auch positiv ist. Ich wünsche dem Verein nur das Beste."
Ich erinnere mich noch an die Spiele als Aktiver in Essen. Das war immer der Wahnsinn. Dieser Verein, seine Fans sind sensationell. Einmal habe ich mit Paderborn den Siegtreffer in Essen in der Nachspielzeit erzielt und wir konnten danach nicht mehr das Stadion verlassen.
Pavel Dotchev
... den Aufsteiger Rot-Weiss Essen: "Die Euphorie war nach dem Aufstieg sehr groß. Die Verantwortlichen haben den Aufstiegsspielern die Chance gegeben, sich auch eine Liga höher zu zeigen. Doch das Vertrauen wurde nicht mit Leistung zurückgezahlt. Essen hat schnell gemerkt, dass das nicht reicht und nun mit Clemens Fandrich, Felix Götze und Andreas Wiegel nachgelegt. Ich bin gespannt, wie Essen in den nächsten Spielen aussehen wird. Auf jeden Fall freut es mich, dass dieser Verein wieder da ist. Ich erinnere mich noch an die Spiele als Aktiver in Essen. Das war immer der Wahnsinn. Dieser Verein, seine Fans sind sensationell. Einmal habe ich mit Paderborn den Siegtreffer in Essen in der Nachspielzeit erzielt und wir konnten danach nicht mehr das Stadion verlassen. Die Essener Fans wollten einfach unseren Bus nicht rausfahren lassen (lacht). Das ist ein hoch emotionaler Verein, den es so nicht so oft in Fußball-Deutschland gibt."
... das Duell Essen gegen Aue: "Aue steht schon mächtig unter Druck. Und ich glaube, dass für sie das Spiel auch schwieriger als das Derby gegen Dresden sein wird. In Essen ist es nie einfach, auch wenn Rot-Weiss die ersten Heimspiele nicht so gut ausgesehen hat. Aber schon gegen Ingolstadt zeigten die Essener, was in diesem Hexenkessel möglich ist. Jetzt kommt noch der Freitagabend dazu, Flutlicht, volles Haus, mit den Neuzugängen, es wird sehr schwer für Aue. Ich gehe von einem spannenden, engen Spiel aus."
... Ex-Klub Viktoria Köln: "Das ist ein sehr, sehr familiär geführter Verein, in dem ich mich unheimlich wohl gefühlt habe. Bei der Viktoria hat auch ein Umdenken stattgefunden. Es werden keine Stars mehr verpflichtet, es wird eher auf den eigenen Nachwuchs gesetzt. Hier ist die Arbeit von Christoph John hervorzuheben. Christoph leistet sensationelle Arbeit. Dann kommt natürlich auch Franz Wunderlich in Spiel, der alles managt und im Griff hat. Wie gut es laufen kann, sieht man an diesem Saisonstart. Jetzt kommt das tolle Spiel gegen die Bayern. Die Viktoria hat sich dieses Spektakel verdient und sollte diese Begegnung einfach nur genießen."
... seine berufliche Zukunft: "Ich stehe natürlich wieder zur Verfügung. Aber das, was ich als Nächstes machen werde, muss gut überlegt sein. Ich will und muss nicht mehr alles machen. Ich muss hinter dem, was ich als Trainer mache, voll dahinter stehen und es muss auch Spaß machen. Das war in der Vergangenheit nicht immer zu einhundert Prozent der Fall. Daraus habe ich meine Lehren gezogen."